Zum Hauptinhalt springen

Neuigkeiten und BLOG

#MKFonScreen

Hier finden Sie regelmäßig Beiträge über Gegenstände aus unseren Ausstellungen und unserer Sammlung. Durch die ausgewählten Stücke lassen wir die Geschichte(n) früherer Generationen lebendig werden. Wir erzählen Wissenswertes zu Traditionen und Bräuchen der Vergangenheit. Mit Beispielen zeitgenössischer Kunst im sakralen Raum lenken wir den Blick auch auf Gegenwart und Zukunft.

Auf den Spuren eines hölzernen Heiligen

Aus der Geschichte der Altäre in der Spitalkirche – Teil 1

Hl. Hieronymus sitzend mit einem kleinen Löwen an seiner Seite

Hl. Hieronymus, Franken, 1460/70, Holz, farbige Fassung erneuert, Museum Kirche in Franken, Leihgabe: Hospitalstiftung Bad Windsheim

Die vier lateinischen Kirchenväter mit ihren Kennzeichen

Die vier lateinischen Kirchenväter an den geschlossenen Flügeln der Predella des Pacher-Altars der katholischen Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Wolfgang im Salzkammergut, Oberösterreich. Michael Pacher, 1471–79, aufgestellt 1481.

Hieronymus bei seiner Übersetzungsarbeit; auch der Löwe taucht hier auf

Albrecht Dürer, Hieronymus im Gehäus, Kupferstich, 1514, Kupferstichkabinett Dresden.

Urkunde mit lateinischem Text

Bestätigungsurkunde Hieronymus-Altar, 1463, Pergament, Siegel nicht vorhanden, Stadtarchiv Bad Windsheim.

Altarrekonstruktion mit Hieronymus-Figur in der Mitte, ansonsten schmucklos

Altarrekonstruktion mit Holzfigur des Hl. Hieronymus, wurde 2018 im Museum Kirche in Franken ausgestellt.

Über der Tür zur Sakristei, die sich links im Chor der Spitalkirche zum Heiligen Geist in Bad Windsheim befindet, ist eine hölzerne Figur in goldener Kutte mit einem kleinen Löwen zu finden. Dieser Figur wollen wir heute auf die Spur gehen. Wen bildet sie ab? Woher stammt sie? Wofür wurde sie angefertigt?

Die Figur wurde auf 1460/70 datiert und die Herstellungszeit fällt folglich ins Spätmittelalter. Weitere Auskunft erhalten wir durch die Ikonographie. Der ältere Mann ist mit Tonsur dargestellt und die rechte Hand ist im Segensgestus leicht erhoben. Es handelt sich demnach um einen Geistlichen. Um wen es sich genau handelt, wird durch den Löwen deutlich, der zu den Füßen der Figur steht. Der Löwe ist das Attribut des Heiligen Hieronymus. Heiligenattribute sind Gegenstände, Gebäude, Tiere oder Engel, die oftmals mit dem Leben und Wirken des Heiligen verbunden werden und die der Darstellung eines Heiligen zugefügt werden, um diesen zu kennzeichnen. Auch die rote Unterfütterung des Gewands deutet auf Hieronymus hin, der in der Kunst oft im roten Kardinalsgewand dargestellt wird.

Doch wer war Hieronymus?

Sophronius Eusebius Hieronymus gilt neben Ambrosius, Augustinus und Gregor dem Großen als einer der vier großen Kirchenväter des Abendlandes. Als solche werden Personen bezeichnet, die zur Lehre und dem Verständnis des Christentums durch eigene Schriften und Übersetzung maßgeblich beigetragen haben. Zu Hieronymus größten Werken zählt die Übersetzung der Bibel ins Lateinische. Diese Übersetzung, die Vulgata, ist bis heute in der katholischen Kirche verbindlich. Hieronymus, der um die Mitte des 4. Jahrhunderts in Stridon in der Provinz Dalmatien als Sohn wohlhabender christlicher Eltern geboren wurde, erhielt eine gute schulische Ausbildung, durch die er Griechisch, Hebräisch und Latein lernte. Obwohl er von Schriften antiker Philosophen fasziniert war, wendete er sich nach einem Traum von ihnen ab und dem Studium der Hl. Schrift zu. Der Geistliche war Vertreter der Askese und lebte längerer Zeit in der Wüste Chalkis als Einsiedler. Wegen einer Legende, nach der Hieronymus einem Löwen einen Dorn aus der Tatze gezogen habe, welcher folglich sein Begleiter wurde, wird er häufig mit diesem abgebildet. Bücher und Schreibpult, mit denen er auch oft dargestellt wird, gelten seiner Gelehrsamkeit. Zumeist trägt er auch Kardinalshut und scharlachrote Gewänder, da ihm vom Bischof Damasus Ⅰ., für den er als Sekretär tätig war, die Kardinalswürde angeboten worden sei, er habe jedoch abgelehnt.

Zurück zu unserer Holzfigur: Die Figur ist neben einer Abendmahlsgruppe, die sich in der Predella des heutigen Altars befindet, das Einzige, was sich von den Altären erhalten hat, die es in der Spitalkirche im Spätmittelalter gegeben hat.  Der Altar, der heute im Museum Kirche in Franken zu sehen ist, wurde 1623/24 von der Bad Windsheimer Bildschnitzerfamilie Brenck für die Friedhofskirche Heilig Kreuz in Ansbach gefertigt und wurde erst 1931/32 in der Spitalkirche neu errichtet (vgl. Blogbeitrag "Paradies und Jüngstes Gericht" vom 08.10.2020). Der barocke Altar kann uns also auf der Spur unseres Hieronymus nicht helfen. Um der Herkunft unserer Holzfigur näher zu kommen, müssen wir einen Blick unter die Erde wagen. Dort konnten bei archäologischen Grabungen die Fundamente von vier spätmittelalterlichen Nebenaltären festgestellt werden. Aus Quellen erfahren wir, neben dem Hieronymus-Altar, dem unsere Figur zugehörig war, wurden im 14. und 15. Jahrhundert auch Stiftungen für einen Franziskus-, Jodokus- sowie einen Marienaltar gemacht. Die Altäre lassen sich in den sogenannten Pflegebüchern finden, welche die laufenden Kosten der Stiftungsaltäre festhielten.

Wer hat also den Hieronymus-Altar gestiftet und warum?

Das Warum lässt sich durch die Heilsvorstellung des Mittelalters erklären: Der Mensch versuchte sich sein Seelenheil und Sündenvergebung durch frommes Handeln und Stiften zu erwirken und damit dem drohenden Fegefeuer zu entfliehen. Ein Altar als Stiftung bot den Vorteil, dass auch nach dem eigenen Tod dem Stifter in Form von Seelenmessen gedacht wurde, dazu wurden eigens Geistliche beschäftigt, die die in der Stiftung festgelegten Pflichten verrichteten.  So konnte man sich den gefürchteten Aufenthalt im Fegefeuer verkürzen. Über die Stifter gibt uns eine Urkunde Auskunft, mit der Johannes, der Bischof von Würzburg, die Stiftung 1463 bestätigte. Danach haben ein Dr. Jodocus Lehmacher und seine Schwester Barbara Zettlerin den Hieronymus-Altar gestiftet.

Das Stiften eines Altars zu Ehren eines Heiligen war sicherlich keine Seltenheit im Spätmittelalter, in dem die Heiligenverehrung ihren Höhepunkt fand. Den Heiligen wurde die Patronage über bestimmte Lebensbereiche und Berufsgruppen zugesprochen und man versprach sich von Kontakt mit den Reliquien, also Teilen ihrer menschlichen Überreste, Beistand für den ihnen zugerechneten Lebensbereich. Vermutlich wählte Dr. Lehmacher als Akademiker den Hieronymus, weil dieser der Schutzpatron der Gelehrten ist. Im Hochmittelalter stieg der Bedarf an Reliquien, sodass die Gebeine der Heiligen aufgeteilt wurden und so genannte Berührungsreliquien beliebt wurden. Dabei handelt es sich um Gegenstände, die in Kontakt mit den Reliquien gekommen sind. So verwundert es nicht, dass man im Jahr 1705 bei einem Abbruch auch ein Kästchen mit Reliquien des Heiligen Hieronymus in der Spitalkirche gefunden habe. Dieses Kästchen, das dem Altar des hl. Hieronymus vermutlich zugehörig war, (denn jeder Altar musste mit Reliquien ausgestattet sein) ist jedoch leider nicht erhalten geblieben. 

Die Figur des Hl. Hieronymus dagegen schon. Sie können wir jetzt als Altarfigur des spätmittelalterlichen Hieronymus-Altars identifizieren, den Jodocus und seine Schwester Barbara im 15. Jahrhundert stifteten. Die Dimensionen des Altars konnten durch die Abmessungen des Fundaments und der Figur abgeschätzt und rekonstruiert werden, sodass ein Modell des Altars nach dem Vorbild des Ludwig-von-Toulouse-Altars aus der Kirche St. Jakob in Rothenburg o. T. erstellt und in der Spitalkirche bei der Sonderausstellung "Brauen, Baden, Beten - 700 Jahre Hospitalstiftung Windsheim" im Jahr 2018 an der Stelle des Altarfundaments ausgestellt werden konnte.

 

Literatur:

Stadlers Heiligen-Lexikon, Hieronymus, aus dem Ökumenischen Heiligenlexikon, https://www.heiligenlexikon.de/Stadler/Hieronymus.html

Steeger, Wolfgang, Die archäologischen Ausgrabungen in der Spitalkirche „Hl. Geist“ in Bad Windsheim, in: Eine Kirche wird Museum, Werkstattberichte aus dem Muesum Kirche in Franken, hrsg. von Andrea K. Thurnwald, Bad Windsheim, 2006

Thurnwald, Andrea K., Das Spital zum Heiligen Geist, Mittelalterliche Frömmigkeit und Armenfürsorge, in: Spuren des Alltags, Der Windsheimer Spitalfund aus dem 15. Jahrhundert, hrsg. von Hermann Heidrich, Andrea K. Thurnwald, Bad Windsheim, 1996